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Sonntag, 14. September 2014

Feminismus vs. Wahlrecht?



Eine interessante Variante zum Problemkreis der „Frauenquote“, die zugleich Grundlagen des Parlamentsrechts betrifft, hat sich in Österreich aus Anlass der Nachfolge für ein verstorbenes Mitglied des Nationalrats ereignet: Nachdem die Präsidentin des Nationalrats Barbara Prammer Anfang August verstorben ist, müsste nach der Satzung ihrer Partei (der SPÖ) eine weibliche Abgeordnete nachrücken, denn dort heißt es„Scheidet ein/e MandatarIn, unabhängig aus welchem Grund, aus, ist durch Nachrückung sicherzustellen, dass die Einhaltung der Quote erhalten bleibt bzw. erzielt wird.“
Eine Frau käme nach der Liste aber erst als weitere Nachrückerin zum Zuge; der zuständige Verband nominierte denn auch den auf der Liste nächstplatzierten Kandidaten, was zu einiger Aufregung führte.
Das wiederum verwundert: Auch in Österreich gilt wie in Deutschland der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl (Art. 26 B-VG), der verhindern soll, dass zwischen die Entscheidung des Wählers und das Mandat weitere Entscheidungen anderer Stellen treten. Für den Fall des Nachrückens folgt aus diesem Grundsatz, dass nach Maßgabe der Entscheidung der Wähler der nächste auf der Liste platzierte Kandidat nachrückt, weshalb in Deutschland die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 1 Satz 2 BWahlG für den Fall des unfreiwilligen Ausscheidens aus einer Partei kontrovers diskutiert wird. Danach kommt aber von vornherein nicht in Betracht, dass ein Parteigremium über den Nachrücker entscheidet. Folgerichtig sieht § 111 der österreichischen Nationalratswahlordnung ein Nachrücken nach Maßgabe der (Listen-) Reihenfolge vor. Von einer solchen gesetzlichen Regelung kann aber durch Parteistatuten gar nicht abgewichen werden. Diese offenbaren daher mindestens Blauäugigkeit, möglicherweise aber auch einen laxen Umgang mit elementaren Wahlrechtsgrundsätzen.