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Samstag, 22. November 2014

Eine "goldene Lücke" im Parteiengesetz?



Angeführt von einem Ökonomie-Professor geht die „Alternative für Deutschland“ (AfD) jetzt bei der Beschaffung der Mittel für politische Arbeit ungewohnte Wege: Die Partei verkauft Goldbarren und -münzen, was nicht nur unmittelbar Einnahmen generiert, sondern auch die Bemessungsgrundlage für die staatliche Parteienfinanzierung verbessert. 

Der dabei wirkende Mechanismus ist nur vordergründig kompliziert, tatsächlich aber simpel: Die Höhe der einer Partei zustehenden (Teil-) Finanzierung aus der Staatskasse bestimmt sich einerseits nach den bei Wahlen erzielten Stimmen und andererseits nach der Höhe der Mitgliedsbeiträge, Mandatsträgerbeiträge und Spenden (§ 18 Abs. 3 Satz 1 PartG). Allerdings wird die danach mögliche Höhe der staatlichen Zuwendungen „gedeckelt“ durch die Höhe der eigenen Einnahmen einer Partei (§ 18 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 4 PartG). Reichen die eigenen Einnahmen nicht aus, um die Höhe der nach Maßgabe der Wählerstimmen, Beiträge und Spenden zustehenden Mittel auszuschöpfen, verliert die Partei den diese „relative Obergrenze“ übersteigenden Betrag. In dieser Situation greift die AfD zum Mittel der Einnahmesteigerung durch Goldhandel.

Die Zulässigkeit dieses Vorgehens hat die Bundestagsverwaltung nun in Beratung des für die Bewilligung der Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung zuständigen Bundestagspräsidenten bestätigt. Das ist zutreffend und keine Überraschung, denn zu den berücksichtigungsfähigen Einnahmen gehören auch solche aus „Unternehmenstätigkeit und Beteiligungen“ (§ 24 Abs. 4 Nr. 5 PartG). Aus dieser Regelung lässt sich zunächst ableiten, dass nach dem Parteiengesetz eine wirtschaftliche Betätigung der Parteien zulässig ist. Auch das versteht sich aber im Grunde von selbst: Zwar sind politische Parteien primär auf Mitwirkung an der politischen Willensbildung und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet; sie sind aber Grundrechtsträger und genießen für eine wirtschaftliche Betätigung zur Förderung der politischen Arbeit den Grundrechtsschutz aus Art. 12 GG. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 24 Abs. 4 Nr. 5 PartG gehören sodann die dabei erwirtschafteten Mittel auch zu den eigenen Einnahmen, die bei der Ermittlung der „relativen Obergrenze“ zu berücksichtigen sind.

Angeblich will der Bundestagspräsident nunmehr aber eine Gesetzesänderung anregen, um die Berücksichtigung dieser Einnahmen auszuschließen; auch sollen insoweit bereits „verfassungsrechtliche Bedenken“ geäußert worden sein. Der argumentative Ansatz: Bemessungsgrundlage für die staatliche Parteienfinanzierung müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die gesellschaftliche Verwurzelung der Parteien sein; diese würde durch Einnahmen aus Goldverkäufen (oder sonstiger wirtschaftlicher Tätigkeit) aber nicht abgebildet.

Diese Argumentation ist nur vordergründig richtig. Tatsächlich signalisiert sie nur, dass das System der staatlichen Parteienfinanzierung auch bei politischen Akteuren offenbar weithin unverstanden ist: Der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Ansatzpunkt für die Verknüpfung der staatlichen Teilfinanzierung mit der Zustimmung zu einer Partei in der Bevölkerung ist die Bemessung der staatlichen Mittel nach Maßgabe der Wählerstimmen sowie der Beiträge und Spenden gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 PartG (weshalb die Einbeziehung der Mandatsträgerbeiträge eine verfassungswidrige Systemwidrigkeit darstellt). Die „Deckelung“ auf die eigenen Einnahmen basiert hingegen auf dem ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht dekretierten Verbot einer überwiegenden Finanzierung einer Partei aus staatlichen Mitteln: Parteien sollen ihre Mttel überwiegend selbst erwirtschaften und nicht vom Staat abhängig sein. Es handelt sich daher um zwei verschiedene Aspekte, die entgegen der Auffassung von Bundestagspräsident Lammert (und der von ihm beauftragten "Wirtschaftsprüfer"?) voneinander zu trennen sind; die „Verwurzelung“ einer Partei in der Bevölkerung wird allein durch § 18 Abs. 3 Satz 1 PartG mit der staatlichen Mittelgewährung verknüpft. 

Das Vorgehen der AfD steht daher mit dem Parteiengesetz nicht nur in Einklang, es fehlt auch an einer „Gesetzeslücke“; aus verfassungsrechtlicher Sicht besteht Handlungsbedarf ebenfalls nicht. Allerdings existiert noch eine zusätzliche Pointe, die bislang unbeachtet geblieben ist: Angeblich fordert die AfD bei ihrem Goldverkauf Preise, die den jeweils aktuellen Marktpreis übersteigen. Sollte dies zutreffen, könnte in dem „überschießenden“ Betrag eine Spende zu erblicken sein, die wiederum die Bemessungsgrundlage der staatlichen Parteienfinanzierung gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PartG erhöht.