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Montag, 8. Dezember 2014

Stimmungsmache durch Rechtspopulisten - so funktioniert's



In der schwarz-weiß gewirkten Welt der Rechtspopulisten halten bekanntlich die Staatsorgane ihre schützende Hand über Straftäter und Migranten (für Rechtspopulisten sind das aber wohl ohnehin Synonyme), während der brave Bürger durch „die da oben“ stets ausgenommen und gegängelt wird. Wie diese Vorstellungen zustande gekommen, ist zwar rätselhaft, wie sie verbreitet werden, aber nicht: Hier ein Grundkurs „Stimmungsmache durch Rechtspopulisten“: 

Erster Akt: Ein halbwegs sachlicher Beitrag in der „BerlinerZeitung“ zu einem Zwischenfall auf einem Berliner S-Bahnhof: Ein Jugendlicher tritt gegen einen Kinderwagen, ein Passant mischt sich ein. Es kommt zum Streit, der Passant schlägt zu, der Jugendliche zückt ein Messer. Weitere Folgen bleiben erfreulicherweise aus, die Polizei ermittelt. Hierzu behauptet die Zeitung, der Passant müsse sich „auf ein Strafverfahren“ gefasst machen, weil er den Jugendlichen geschlagen habe.

Zweiter Akt:  Auftritt Vera Lengsfeld. Unter der Überschrift „Bei Zivilcourage droht der Staatsanwalt“ wittert die rechtsgerichtete Publizistin, der eine Nähe zur AfD nachgesagt wird, ein „Stück aus dem Tollhaus“. Da habe jemand eingegriffen, als ein jugendlicher „Intensivtäter“ ein Messer gegen Mutter und Kind zückte, um auf diese einzustechen, und nun ermittele die Staatsanwaltschaft, weil der Passant den Intensivtäter geschlagen haben soll.

Ein paar Verdrehungen, ein paar Auslassungen – fertig ist die Bestätigung des Vorurteils. Richtig ist daran – nichts: 

Näheres Hinsehen ergibt zunächst eine Ungenauigkeit des Zeitungsartikels, da bislang offenbar nur die Polizei weitere Sachverhaltsaufklärung betreibt. Dies liegt auch nahe, weil nach dem Zeitungsbericht das (fortbestehende) Vorliegen einer Notwehr- oder Nothilfelage zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung zweifelhaft ist. Ob es zu einem staatsanwaltlichen Ermittlungs- oder gar einem Strafverfahren kommt, ist entgegen der Darstellung in der Zeitung aber (zumindest) völlig offen – und nach aller Erfahrung eher unwahrscheinlich. 

Derart lästige Details stören Frau L. indes nicht. Sie unterstellt ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren und setzt noch eins drauf, indem behauptet wird, der Passant habe sich eingemischt, als der „Intensivtäter“ mit dem Messer auf eine Mutter und ihr Kleinkind losging. Tatsächlich enthält der Zeitungsartikel keine Anhaltspunkte dafür, dass der junge Mann ein Messer gegen Mutter und Kind gezückt hätte oder auf diese einzustechen drohte: Nach dem Inhalt des Artikels kam es zu einem Streit zwischen dem Jugendlichen und dem Mann, in deren Verlauf der Jugendliche geschlagen wurde – erst anschließend zog er ein Messer. Ob Mutter und Kind zu dieser Zeit überhaupt noch vor Ort waren, wird nicht mitgeteilt.  Im Übrigen ist der Artikel aber eindeutig: Ihm kann nicht entnommen werden, dass der junge Mann das Messer gegen Mutter und Kind gerichtet habe. Dieser „Dreh“ wird von Frau L. aber benötigt, damit ihre Agitation gegen den Rechtsstaat funktioniert; die Kommentare fallen entsprechend aus. Man merkt die Absicht und ist verstimmt...