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Samstag, 9. Januar 2016

Endlich geklärt: Polizeigewerkschaft für Verdachtsstrafen




Die (weitgehend ungeklärten) Vorkommnisse in der Silvesternacht in Köln und anderswo haben zu verbreiteter Kritik an einem fehlenden Einschreiten der Polizei geführt. Da findet man offenbar bei der Gewerkschaft der Polizei, dass es mal wieder an der Zeit ist, vom Versagen der Einsatzkräfte abzulenken, indem man den Ball in das Feld der Justiz spielt. Konkret beklagt wird durch den nordrhein-westfälischen DPolG-Landesvorsitzenden Rettinghaus, dass zwei jugendliche Straftäter, die – aus welchen Gründen auch immer – im Verdacht einer Beteiligung an den Kölner Vorkommnissen stehen, wegen einer damit in keinerlei Zusammenhang stehenden – und offenbar voreilig erhobenen – Anklage zu milde bestraft wurden. Ausweislich eines (jede kritische Distanz vermissen lassenden) Berichts auf SPIEGEL ONLINE sind solche Urteile "für uns Polizisten vollkommen unverständlich", denn: "Es kann doch nicht sein, dass wir gerade in diesem Fall, in dem es Bezüge zu den Übergriffen an Silvester gibt, eine derart niedrige Strafe verhängen." Diese Nachsicht könne verheerende Folgen haben. '"Leider verstehen gerade solche Täter die Milde eines Richters fälschlicherweise als Schwäche des Rechtstaats', so Rettinghaus". Ähnlich assistiert der BDK-Bezirksvorsitzende Thust: Täter, die im Verdacht stehen, auch an den Silvesterereignissen beteiligt gewesen zu sein, seien "ganz aktuell heute nach Verbüßung von einer Woche Untersuchungshaft in einem beschleunigten Verfahren zu einer Woche Jugendarrest – oder Dauerarrest – verurteilt worden und gingen direkt wieder auf freien Fuß, sind wieder auf der Straße und lachen sich kaputt".

Diese Aussagen sind nicht nur deshalb skandalös, weil sie erkennbar vom Versagen der Polizei ablenken sollen. Vielmehr handelt es sich um die völlig unverblümte Forderung nach Einführung von Verdachtsstrafen, wenn verlangt wird, dass ohne Aufklärung des Sachverhaltes wegen der nicht feststehenden Beteiligung an (noch) gar nicht angeklagten Taten in einem anderen Verfahren ein höheres Strafmaß verhängt werde. Zwar ist es ein typisches Kennzeichen von Statements der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), dass sie vielfach weder von besonderer Sachkunde noch von rechtsstaatlicher Gesinnung gekennzeichnet sind. Mit der Forderung nach Abschaffung von rechtsstaatlichen Strafverfahren wird aber eine Grenze überschritten. Es ist die Frage zu stellen, ob das Verbot der Beschäftigung von Verfassungsfeinden im Öffentlichen Dienst bei der Einstellung von Polizeibeamten in der Vergangenheit immer hinreichend beachtet worden ist.