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Freitag, 25. März 2016

Die AfD im Saarland - ganz aufgelöst?

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) gilt gemeinhin als Partei, die „rechtspopulistisch“ – was auch immer das heißen mag – sei und ein ungeklärtes Verhältnis zum „rechten Rand“ habe. Nachdem es nunmehr gelungen ist, in weitere drei Landtage mit zweistelligen Ergebnissen einzuziehen, will man aber offenbar eine größere Distanz zu anerkannten Rechtsextremisten etwa von der NPD wahren. Ob dies angesichts mancher Erklärungen von AfD-Repräsentanten mehr als optische Kosmetik ist, muss hier offenbleiben. Jedenfalls wurde jetzt gleich ein kompletter Landesverband aufgelöst, mag dies auch nur den Verband im Saarland – Deutschlands beliebtester Maßeinheit zur Größe von rund 240.000 DFB-Fußballfeldern – betreffen; verschiedenen Repräsentanten des Landesverbandes werden offenbar Kontakte in die rechtsextremistische Szene vorgeworfen.

Unabhängig von diesem Hintergrund wirft der Vorgang ein paar grundsätzliche parteienrechtliche Fragen auf:

1. Wirft man zunächst einen Blick in die Satzung der AfD, so findet man dort eine Regelung, in der neben einer Amtsenthebung des Vorstands in der Tat der Ausschluss eines gesamten Gebietsverbandes vorgesehen ist, sofern „ein Gebietsverband oder Gebietsvorstand schwerwiegend gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei“ verstößt (§ 8 Abs. 1). Ob diese Tatbestandsvoraussetzungen hier vorliegen, lässt sich ohne nähere Kenntnis des Sachverhalts nicht entscheiden. Immerhin ist aber zunächst festzuhalten, dass ein Gebietsverband nur durch seine Organe handeln kann, so dass Vorgänge, die zu derartigen Ordnungsmaßnahmen berechtigen könnten, nur auf Handlungen oder Beschlüssen des Vorstands oder eines Parteitags beruhen können. Da aber offenbar im konkreten Fall nur auf Handlungen einzelner (Vorstands-) Mitglieder reagiert wurde, erscheint schon nach dem Inhalt der Satzung zweifelhaft, ob sogleich zum „letzten Mittel“ der Auflösung des Landesverbandes gegriffen werden durfte; möglicherweise hätte vorrangig der Ausschluss der betreffenden Personen oder eine Amtsenthebung des Vorstands erwogen werden müssen.

2. Dies wiederum gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil mit der Auflösung des Landesverbandes zugleich sämtliche Mitglieder ausgeschlossen wurden, was zu der weiteren Frage führt, ob unabhängig von der Regelung in der Satzung eine Auflösung eines kompletten Landesverbandes einer Partei durch deren Bundesvorstand rechtlich überhaupt möglich ist. Dazu bedarf es eines kurzen Blicks auf die „vereinsrechtliche“ Struktur einer Partei:

a) Parteien sind typischerweise als sog. „Gesamtvereine“ organisiert. Ihre rechtlich selbständigen Untergliederungen sind danach selbst (im Regelfall nicht rechtsfähige) Vereine. Diese Vereine sind mit der übergeordneten Ebene (nur) in der Weise verbunden, dass die Mitgliedschaft in einem Gebietsverband die Mitgliedschaft in den übergeordneten Gebietsverbänden vermittelt, die verschiedenen Ebenen also jeweils die gleichen Mitglieder – bezogen auf das Gebiet der kleinsten Einheit – haben. Anders gewendet: Es besteht allein Identität der Mitglieder, die nachgeordneten Verbandsebenen sind hingegen – wie vielfach übersehen wird – selbst nicht Mitglieder der übergeordneten Ebene; es gibt insbesondere keine Mitgliedschaft der Landesverbände in der Bundespartei.

Diese Struktur weist erkennbar auch die AfD auf: In der Satzung ist bestimmt, dass die Partei sich in Landesverbände mit Personal, Satzungs- und Finanzautonomie gliedere (§ 9 Abs. 1), weitere Untergliederungen sind möglich (§ 9 Abs. 2 Satz 1). Über die Aufnahme entscheidet vorbehaltlich abweichender Regelungen in einer Landessatzung der Vorstand des niedrigsten rechtlich selbständigen Gebietsverbands, in dem der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat (§ 4 Abs. 1).

b) Damit liegen die Probleme auf der Hand:

aa) Die Auflösung eines Landesverbandes ist die Auflösung eines rechtlich selbständigen Vereins. Entfällt dieser Verein, entfällt aber auch die Mitgliedschaft in diesem Verein, die zugleich die Mitgliedschaft in dem „übergeordneten“ Verein vermittelt. Diese entfällt damit ebenfalls. Im Grunde läuft die Auflösung eines Landesverbandes damit auf den Ausschluss aller Mitglieder dieses Landesverbandes hinaus. Soweit der Bundesvorstand der AfD ausweislich eines Berichts in der „Zeit“ eine fortdauernde Mitgliedschaft der saarländischen Mitglieder in der Bundespartei postuliert, trifft dies mithin nicht zu. Es liegt aber auf der Hand, dass ein solches Vorgehen mit den Voraussetzungen kollidieren muss, an die der Ausschluss eines Mitglieds nach § 10 PartG gekoppelt ist.

bb) Hinzu kommt, dass mit der Auflösung der nachgeordneten Verbandsgliederung die Auflösung eines eigenständigen Vereins durch einen anderen Verein – die übergeordnete Ebene – erfolgt ist. Dass ein Verein befugt ist, auf die Existenz eines anderen Vereins zuzugreifen, ist allerdings ein eher fernliegender Gedanke. Bislang können Vereine nicht einfach andere Vereine auflösen. Eine hierzu berechtigende Satzungsregelung muss daher ins Leere gehen.

Ergebnis: Der Landesverband der AfD im Saarland ist nicht wirksam aufgelöst worden.