... wären
sie verboten. Dieser Satz unbekannten Ursprungs – vermutlich geht er auf Emma
Goldman zurück – weist die Richtung, in die sich aktuelle Überlegungen der
Politik in Bremen zur Änderung des Wahlrechts bewegen. Ganz unverhüllt wurde
parteiübergreifend bekundet, dass die Wähler nach Auffassung der Parteien über
die sog. „Personenstimmen“ zu viel Einfluss auf die konkrete personelle
Zusammensetzung des Parlaments haben. Um diesen unerwünschten Zustand zu
beenden, plant man daher Änderungen bei der Verrechnung der Personen- und
Listenstimmen: Nach dem bremischen Wahlrecht kann der Wähler mit seinen (fünf)
Stimmen nicht nur Parteien wählen, indem er (pauschal) deren Landesliste
ankreuzt, sondern auch für einzelne Bewerber votieren, die dann in der Reihenfolge
der Zahl der erzielten Personenstimmen in das Parlament einziehen. Nachdem der Versuch, auf dieses System zu Lasten der Bedeutung der Personenstimmen im Frühjahr unauffällig einzuwirken, ohne Erfolg blieb, soll
nunmehr aber zunächst eine Kommission über die notwendigen Änderungen beraten.
Als
unerfreulich wird zunächst empfunden, dass die Wahl von Bewerbern qua
Personenstimme und damit „an der Liste vorbei“ die Geschlechterparität
beeinträchtige, weil überproportional männliche Bewerber gewählt würden Das mag
so sein, lässt sich aber unschwer durch den Wähler beheben. Wenn dies – aus
welchen Gründen auch immer – nicht geschieht, ist das eine Entscheidung der
Gesamtheit der Wählenden als Souverän, mit der man wird leben müssen.
Ein
merkwürdiges Spezifikum des bremischen Wahlrechts ist allerdings, dass die Wahl
eines Kandidaten daran scheitern kann, dass er zu viele Personenstimmen
erhalten hat. Dies ist rechnerisch dann der Fall, wenn der Kandidat aufgrund
seiner Platzierung nicht über die Liste gewählt wurde, aber gewählt worden
wäre, wenn die für ihn abgegebenen Personenstimmen stattdessen für die Liste
abgegeben worden wären. Hier liegt in der Tat eine „Unwucht“ des Systems vor,
die – soweit bekannt – sich bislang aber erst einmal ereignet hat. Immerhin
lässt sich hier Handlungsbedarf erkennen.
Die
wiederum zwingt nicht zur Relativierung der Personenstimmen. Die Lösungen für
die Problemlage sind vielmehr denkbar einfach. Man könnte auf den Vorbehalt
zugunsten von Parteigremien durch eine Vergabe von Sitzen nach Maßgabe der
Listenreihenfolge vollständig verzichten, indem Listenstimmen abgeschafft oder
jedenfalls für die Reihenfolge der Bewerber allein die Personenstimmen für
maßgeblich erklärt werden.
Gegen
beide Ansätze werden allerdings Einwände erhoben: So sollen Listenstimmen
unverzichtbar sein, um die Möglichkeit zu eröffnen, ohne Kenntnis einzelner
Bewerber/innen auch (nur) die Partei zu wählen. Zugleich soll es aber dann
verfassungswidrig sein, wenn sich die Reihenfolge der gewählten Bewerber
ausschließlich nach den Personenstimmen richtet, eine Listenreihenfolge also
unbeachtlich ist. Dem zugrunde liegt erkennbar eine Entscheidung des Hamburger
Verfassungsgerichts aus dem Jahre 2007, das einen Verstoß gegen das Gebot der
Normenklarheit darin gesehen hat, dass sich sog. Partei- bzw. Listenstimmen nur
auf das Stärkeverhältnis der Parteien, nicht aber die konkrete Auswahl von
Personen auswirken. Das Gebot der Normenklarheit definiert der Gerichtshof wie
folgt (HVerfG 04/06, Umdruck, S. 38, hier gekürzt um weiterführende Nachweise):
„Das
Gebot der Normenklarheit fordert, dass die von einer gesetzlichen Regelung
Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten
vermögen ... Gesetze müssen hinreichend klar gefasst sein, um dem Bürger zu
gestatten, sich ein eigenes Bild von der Rechtslage zu machen... Eine der
Sachlage zuwiderlaufende Gesetzesgestaltung, die die wahren Absichten des
Gesetzgebers verschleiert, verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip ... Zur
Normenklarheit gehört auch die Normenwahrheit ... Wahlrechtsregelungen und
insbesondere die für die Stimmrechte des Wählers maßgeblichen Vorschriften
erfordern eine hinreichende Normenklarheit in besonders hohem Maße ...
Insbesondere muss der Wähler vor dem Wahlakt erkennen können, wie sich die
eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirken
kann...“
Das
klingt alles sehr gelehrt, geht aber an der Sache vorbei. Denn die betreffende
Regelung besagte ausdrücklich: „Die Verteilung der 121 Sitze auf die Parteien
und Wählervereinigungen richtet sich nach dem Verhältnis der Parteistimmen“.
Die Personenauswahl wird nicht erwähnt, denn diese richtete sich nach Maßgabe
einer anderen Vorschrift allein nach den Personenstimmen. Worin hier ein
Verstoß gegen die Normenklarheit zu erblicken sein sollte, erschließt sich
daher nicht. In Rede steht allein eine worin auch immer wurzelnde
Erwartungshaltung (hier) des Gerichts, dass sich auch Listenstimmen auf die
Auswahl der gewählten Abgeordneten auswirken müssen. Eine solche Erwartungshaltung,
wenn es sie im Übrigen bei Wählern überhaupt geben sollte, ist aber rechtlich
nicht schutzwürdig; jedenfalls wäre eine
Erläuterung de Zusammenhänge – ggf. auf dem Wahlzettel – möglich.
Dass
sich die Parteien zu einer solchen Lösung erschließen werden, ist allerdings zu
bezweifeln, würden sie damit doch die Entscheidung über die gewählten
Parlamentarier/innen in die Hände des Wählers legen.